Interview mit Anders Indset | Gemeinsam gestalten wir am besten!
‘’
„Technologie ist die Antwort,
aber was war die Frage?“
Cedric Price, 1966
Ich glaube, dass man die menschliche Komponente viel stärker in den Vordergrund rücken muss. Wenn ich das sage, meine ich, dass wir mehr miteinander arbeiten. Also nicht hierarchisch von oben nach unten – sondern auf Augenhöhe.
Auch glaube ich, dass wir lernen müssen mit unserem Auftraggeber und sogar unserem Mitbewerber zu kooperieren. Das wird zunehmend wichtiger. Es geht um Kooperation. Und um Trainingsplätze und Spielwiesen, wo man Fehler machen kann, wo man etwas probieren kann.
’’Anders Indset zählt zu den führenden Wirtschaftsphilosophen der Welt. Gerne als Rock’n’Roll Plato bezeichnet, ist er mit seinen Ansätzen der praktischen Philosophie einer der gefragtesten Keynote-Speaker in Europa. Sein erstes deutsches Buch Quantenwirtschaft erreichte Platz 3 der Spiegel-Bestsellerliste und Platz 1 der Manager Magazin-Bestsellerliste der meistverkaufen Wirtschaftsbücher.
Wir sprechen mit Anders Indset am ILS 2019 über immaterielle Güter in der Logistik und Menschlichkeit in der Wirtschaftswelt.
Technologie allein ist nicht die Antwort
auf all unsere Herausforderungen. KNAPP
zählt zu den führenden und innovativsten
Unternehmen im Bereich Supply Chain
Automation. Was wird es noch brauchen,
um in der Logistik-Branche die zukünftigen
Herausforderungen zu meistern?
Anders Indset: Ich denke es ist
wichtig, sich immer wieder zu hinterfragen,
gerade als Technologieführer.
Wir müssen die Sichtweise auf die
eigene Technologie, die Systeme,
die wir haben, hinterfragen. Weiters
glaube ich, dass man die menschliche
Komponente viel stärker in den
Vordergrund rücken muss. Wenn ich
das sage, meine ich, dass wir mehr
miteinander arbeiten. Also nicht hierarchisch
von oben nach unten – sondern
auf Augenhöhe. Das was Management
heute ausmacht, nämlich
das Kontrollieren der Prozesse, das
wird in Zukunft mehr in Richtung Technologie
verlagert. Es geht um Gestalter
und um Leadership. Leadership ist
in Zukunft in allen Belangen des Unternehmens
zu finden. In Zukunft gibt
es nur einen Chef: das Projekt. Das
wird gemeinsam erarbeitet und das
funktioniert eben so gut wie möglich.
Auch glaube ich, dass wir lernen müssen
mit unserem Mitbewerber zu kooperieren.
Das wird zunehmend wichtiger.
Es geht um Kooperation. Und
um Trainingsplätze und Spielwiesen,
wo man Fehler machen kann, wo man
etwas probieren kann – ohne, dass
etwas passiert. Und dann muss es
auch Situationen geben, wo man Gefühle
zeigen kann. Mitgefühl und Liebe
müssen eine Komponente in der
Wirtschaft sein. Das nennt man auch
Vitalenergie.
Vieles von dem was du ansprichst, gibt es
bereits bei uns im Unternehmen. Wie wird
in Zukunft die Beziehung zum Kunden aussehen?
Wie kommt dort die Vitalenergie
hinein?
Anders Indset: Es geht um Vertrauen.
Das braucht man, wenn
Teams das Unbekannte gemeinsam
betreten. Auch Kunden können hier
stark mitgestalten und viel näher
und enger in der Ausarbeitung zusammenstehen:
Co-Creation. Der
Auftraggeber und der Auftragnehmer
werden also enger zusammenrücken.
Es braucht ein Verständnis für das
Vertrauen. Softskills sind ein Thema.
Kapitalisierung der Vitalenergie: Da
muss ich sagen, dass ich das von der
Bedürfnispyramide herleite. Die untere
Stufe der Maslowschen Bedürfnispyramide
sind materielle Güter. Das
haben wir sehr breit gebaut. Wir glauben,
dass wir zwei Ferraris und vier
Häuser brauchen, um zu überleben.
Wir müssen Wege finden, wie wir
auch höhere Stufen der Maslowschen
Bedürfnispyramide bewerten können.
Also wie kann man auch im Vertrauensverhältnis
mit unseren Kunden immaterielle
Güter aufbauen. Das wird
immer wichtiger. Das ist sehr komplex
und wir sind da erst ganz am Anfang.
Aber ich glaube, wir sollten anfangen
uns damit zu beschäftigen. Wie können
wir die Technologie-Kompetenz
auch in Immaterielles einfließen lassen?
Wie können wir dann auch andersartige
Modelle entwickeln?
Hast du hierfür ein konkretes Bespiel für
das Technologieunternehmen wie KNAPP?
Anders Indset: Wenn ich das
wüsste, wäre das sehr einfach. Es
ist nicht einfach. Aber ich bin sicher,
es gibt auch Möglichkeiten mit Vitalenergie
kapitalistische Modelle
aufzubauen. Ich glaube das kann
auch in einem solchen Bereich
gelingen. Ich würde auf jeden Fall anfangen,
damit zu spielen.
Das eine ist das Geschäftsmodell. Das
andere ist die Unternehmenskultur. Wie
bringe ich Vitalenergie in die Unternehmenskultur?
Anders Indset: Wenn Menschen
gerne zur Arbeit kommen, dann ist
Fakt, dass es 30 Prozent bis 40 Prozent
weniger Krankenstände gibt,
gepaart mit großer Motivation am
Arbeitsplatz. Das bewegt Unfassbares.
Das sind die low hanging fruits!
Wenn Menschen nett sind zueinander
und wertgeschätzt werden im Unternehmen,
dann passieren bei den
KPIs die merkwürdigsten Dinge. Das
kostet nichts.
Was wäre dein erster Tipp
für die Praxis?
Anders Indset: Du spürst es einfach.
Es fängt bei mir selbst an. Ich
bin der Gestalter der Kultur des Unternehmens.
Ich entscheide jeden Tag,
welche Emotionen ich auf die Welt
projiziere. Wenn ich Frust projiziere,
bin ich selbst auch der Leidtragende.
Viele Führungskräfte überspielen die
Unsicherheit, sie versuchen wichtig
zu sein und sie geben Antworten, um
zu antworten. Sie hören nicht wirklich
zu. Das tun sie um eine schützende
Hülle aufzubauen. Weil sie Angst haben,
dass sie angegriffen werden und
Angst haben, irgendwas zu verlieren.
Und die, die sich trauen, sich zu
öffnen – die sind häufig sehr erfolgreich.
Klar geht es um ernste Themen,
um Strukturen und hart zu arbeiten
– aber es lässt sich verbinden.
Das fängt bei mir selbst an.
Nett sein zueinander.
Kultur ist das, was du nicht kopieren
oder klauen kannst.