Talk am Ring ist ein Format unseres ILS-Medienpartners SPIRIT of Styria. Jeden Monat diskutieren Expert:innen zu einem aktuellen Wirtschaftsthema in der Redaktion am Opern Ring in Graz. Das Thema dieser Ausgabe widmete sich dem Megatrend Urbanisierung und wurde von der Independent Logistics Society mitinitiiert.
Die Stadt der Zukunft – Graz als Role Model?
Was braucht die Stadt der Zukunft und wo liegen die größten Herausforderungen aber auch die größten Potenziale? Inwieweit Graz als Role Model für eine erfolgreiche Stadtentwicklung taugt, um ein nachhaltiger und attraktiver Lebensraum für seine Bewohner zu sein, wurde anhand der Bereiche Bauen und Wohnen, Mobilität, Wirtschaft, Handel und Logistik diskutiert.
Unser ILS-Partner KNAPP AG, vertreten durch Principle Strategic Project Manager Andreas Miller, war mit dabei – Chefredakteur Wolfgang Schober und Herausgeber Siegmund Birnstingl von SPIRIT of Styria moderierten den Round Table.
Die Talk am Ring-Teilnehmer:
· Stefan Heissenberger, Inhaber Frankowitsch & Vorstand Gemeinschaft der Innenstadtkaufleute Echt Graz
· Bernhard Inninger, Leiter Stadtplanungsamt Graz
· Harald Martich, Geschäftsführer Engel & Völkers Graz
· Andreas Miller, Principle Strategic Project Manager KNAPP AG
· Thomas Pucher, Architekt Atelier Thomas Pucher
Nachhaltige Urbanisierung und Logistik
Andreas Miller sieht die Independent Logistics Society als Plattform für Digitalisierung und Logistik oder die steirischen Cluster – etwa mit dem Automobilcluster, dem Styrian Service Cluster, dem Green Tech Cluster – als weltweites Role Model. Auch KNAPP habe ein Know-how-Zentrum für automatisierte Lagerlogistik geschaffen. Für ihn darf sich die Diskussion nicht nur auf die Stadt begrenzen. „Urbanisierung hört nicht an der Stadtgrenze auf. Wir dürfen Region und Stadt nicht trennen – wir müssen weiterdenken und die umliegenden Regionen, die gesamte Steiermark, miteinbeziehen. Denn durch Zuzug aus Umlandgemeinden in die Stadt und gleichzeitiger Abwanderung ins Umfeld von Graz wird die Peripherie hinsichtlich Mobilität und Anbindung umso wichtiger.“
Megatrend Urbanisierung – Die Öffnung der Stadt nach außen und Lebensräume ganzheitlich zu denken
Miller: „Seit Corona und den Möglichkeiten der Digitalisierung und des eCommerce arbeiten Menschen verstärkt aus dem Homeoffice – auch am Land. Umgekehrt wollen die Leute in die Stadt kommen, das Angebot und das Ambiente erleben. eCommerce nimmt weiter zu – und obwohl es widersprüchlich klingt, birgt das auch Chancen für den stationären Handel. Jeder Händler kann eCommerce betreiben und seinen Service damit verbinden. Stationär und Online werden verschmelzen und eine neue Art der Kundenbindung mit hoher Erlebnisqualität schaffen.“
Personen-, Waren- und Geistesströme
Neben den Personenströmen seien auch die Warenströme zu berücksichtigen – Stichwort eCommerce. Warenlager sind nah bei Städten angesiedelt, weil es die Convenience für Online-Shopper durch schnelle Lieferungen und kurze Wege verbessert. Wie kommt das Paket in die Stadt? Eine Zukunftslösung sind kleinere City Hubs, Sammelpunkte für Pakete, die aus dem Umland angeliefert werden und eine zentrale Verteilung ermöglichen.
Ganz wichtig sei es auch Geistesströme zu lenken – Menschen aus der Stadt, der Peripherie und dem Land in einen dynamischen Austausch zu bringen. Für diese Geistes- und Ideenströme ist die Stadt die erste Anlaufstelle. Digitalisierung reicht nicht. Der persönliche Austausch funktioniere immer noch besser als jedes Online-Meeting.
Nachhaltige Mobilität
E-Mobilität, Vernetzung peripherer und städtischer Infrastrukturen, Veränderungen in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft müssen schon heute mitgedacht und für nachkommende Generationen vorausgeplant werden. E-Mobilität werde zwar propagiert, aber es gibt zu wenig Strom und Netzanschlüsse in der Stadt. Miller: „Ein Problem mit dem die Stadt Graz nicht alleine ist. Einer der größten Industrie-Immobilienentwickler Europas versucht seit zwei Jahren das Pilotprojekt Verticle Tower in London umzusetzen. Sie schaffen es nicht, Automatisierung in die Stadt zu bringen, weil der Strom zu teuer und nicht in ausreichender Menge vorhanden ist und Netze überlastet sind. Auch wir brauchen immer mehr Strom für eine innovative City-Logistik, für Hubs und Micro Hubs, um Warenströme besser lenken zu können.“
Erfolgreich die Balance halten – Impulse für die Stadt der Zukunft
Wie kann die Stadt der Zukunft gelingen? Kluge Ideen, smarte Köpfe und Zusammenarbeit sind gefragt. Die steirische Politik könne von der Entwicklung interdisziplinär breit aufgestellter Plattformen und Cluster nur profitieren. Thinktanks, mit einer möglichst neutralen Moderation über Parteigrenzen hinweg, die das wirtschaftliche und soziale Interesse berücksichtigen, Projekte ganzheitlich denken, Universitäten involvieren und die jungen Generationen einbinden.
Architektur, Stadtplanung, Handel und Immobilienwirtschaft
Demografische, ökologische, ethnologische Anforderungen an die Stadt der Zukunft – die einen verantwortungsbewussten Umgang mit Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Digitalisierung, dem gesellschaftlichen Wandel oder der Überalterung voraussetzen – müssen auch in Zukunft sichergestellt werden.
Zu viel Immobilien-Development in den letzten 20 bis 30 Jahren trifft auf Verdichtung des Siedlungsraums und auf langwierige Planungen von Bau- und Infrastrukturprojekten. 40 bis 50 % seines Umsatzes macht der Innenstadthandel mit dem Grazer Umland. Die Belebung durch die 3 A‘s, Ambiente, Angebot und vor allem die Anfahrt und Erreichbarkeit der Innenstadt, erfordert nachhaltige Verkehrskonzepte, Stadtteilmanagement, City-Management, eine ausgeklügelte City-Logistik sowie einen großgedachten Masterplan unter Einbeziehung der umliegenden Regionen. Graz als Universitätsstadt, die hohe Lebensqualität und der Vergleich mit anderen europäischen Städten sowie die Logistik mit Waren-, Personen- und Informationsströmen als gewaltige Herausforderung der Zukunft – das waren nur einige der Impulse im Gespräch, die zu weiterem Gedankenaustausch einladen.
Das gesamte Interview könnt ihr online auf spiritofstyria.at oder in der Printausgabe 03/2023 nachlesen. Eine Lektüre, die sich lohnt!