Während in Österreich jährlich über eine Million Tonnen Lebensmittel im Müll landen, lebt ein wachsender Teil der Bevölkerung in Armut. Alexandra Gruber, Geschäftsführerin der Tafel Österreich, präsentierte beim ILS 2025 in Leoben, wie digitale Innovation, soziale Nachhaltigkeit und ökologische Verantwortung in einem zukunftsweisenden Modell ineinandergreifen.
Eine Logistik für den sozialen Wandel
Hinter der Non-Profit-Organisation steckt eine hochkomplexe Logistiklösung: Die Tafel Österreich fungiert als Sozialspedition, die tagtäglich überschüssige Lebensmittel von Handel, Produktion, Landwirtschaft und Gemeinschaftsverpflegung einsammelt und effizient an rund 160 soziale Einrichtungen weiterverteilt – darunter Obdachlosenheime, Frauenhäuser oder Mutter-Kind-Einrichtungen.
„Wir verstehen uns als Teil der Kreislaufwirtschaft – mit ökologischer, sozialer und ökonomischer Wirkung.“ – Alexandra Gruber
Grubers Vision ist klar: Nachhaltigkeit darf nicht eindimensional gedacht werden. Nur wer ökologische und soziale Aspekte gleichzeitig berücksichtigt, kann echten Wandel schaffen – und letztlich auch ökonomisch profitieren.
Armutsbetroffene in einem reichen Land
Eine aktuelle Studie der Gesundheit Österreich GmbH zeigt: 420.000 Personen in Österreich sind von schwerer Ernährungsarmut betroffen – sie müssen Mahlzeiten auslassen oder wissen nicht, wie sie ihre Kinder ausreichend versorgen sollen. Gleichzeitig steigt die Inflation, Lebensmittel sind teuer geworden – gerade gesunde und frische Produkte sind für viele kaum mehr leistbar.
Genau hier setzt die Arbeit der Tafel Österreich an: Mit geretteten Lebensmitteln (vorrangig Frischware wie Obst, Gemüse und – wenn möglich – auch Fleisch), die kostenfrei weitergegeben werden, leistet sie einen Beitrag zu ausreichender und ausgewogenerer Ernährung für armutsbetroffene Menschen und gleichzeitig zur Vermeidung von CO₂-Emissionen.
Digitale Innovation: Die Tafel-Drehscheibe
Als eine der zentralen Innovationen stellte Gruber das Konzept des „Virtual Food Banking“ vor – eine digitale Plattform, die Angebot und Nachfrage in Echtzeit miteinander verknüpft. Produzenten oder Händler melden überschüssige Lebensmittel, soziale Einrichtungen wählen direkt aus einem digitalen Katalog die für sie passenden Produkte aus.
„Ein Landwirt kann genau definieren, wie viel von welcher Qualität er abzugeben hat. Und die soziale Einrichtung bestellt direkt – wie in einem Online-Shop, nur gratis.“
Durch die digitale Vernetzung werden logistische Abläufe optimiert, Transportwege verkürzt und die Skalierbarkeit des Modells erhöht – eine smarte Antwort auf knappe Ressourcen.

Wirkung statt Umsatz
Als spendenfinanzierte NPO misst Die Tafel Österreich ihren Erfolg in Wirkung. Gemeinsam mit dem NPO Kompetenzzentrum der WU Wien wurde eine Wirkungsstudie durchgeführt, die belegt: Der Zugang zu kostenfreien Lebensmitteln senkt nicht nur die Hemmschwelle für soziale Betreuung, sondern schafft ein positives Beratungs- und Betreuungsumfeld, in dem Menschen wieder Perspektiven entwickeln können und ihnen professionell aus der Not geholfen wird.
Best Practices: Partnerschaften mit Mehrfach-Wirkung
Beispiele wie die Bäckerei Geier, die nicht nur systematisch Backwaren spendet, sondern mit dem „Geier-Tafelsackerl“ zugleich Kund:innen zu Spender:innen macht, zeigen, wie Unternehmen soziale Verantwortung kreativ integrieren können. Auch das Ehrenamt ist eine tragende Säule: Rund 300 Freiwillige engagieren sich jährlich mit tausenden Stunden – und verändern dabei oft auch ihr eigenes Konsumverhalten nachhaltig.
Ein weiteres Beispiel ist die interaktive Wanderausstellung „GewissensBISS“, entwickelt mit der BOKU Wien. Über 60 % der Schüler:innen ändern laut Umfrage ihr Verhalten nach dem Besuch – sie interpretieren Haltbarkeitsdaten neu, lagern bewusster, essen nachhaltiger.
Fazit: Gemeinsames Denken. Gemeinsames Handeln.
Alexandra Grubers Aufruf ist klar: Wenn Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft Kreislaufwirtschaft ganzheitlich denken, lassen sich nicht nur Tonnen an Lebensmitteln retten, sondern echte Systemveränderungen erzielen. Die Tafel Österreich ist dabei mehr als Lebensmittelretterin – sie ist Transformationspartnerin.
„Ökologische und soziale Nachhaltigkeit sind kein Widerspruch – sie sind zwei Seiten derselben Lösung.“ – Alexandra Gruber

Weitere Infos hier:
- „Studie der Gesundheit Österreich GmbH“: https://jasmin.goeg.at/id/eprint/3695/1/Ern%C3%A4hrungsarmut%20in%20%C3%96sterreich_bf.pdf
- Die Tafel-Drehscheibe: https://tafel-oesterreich.at/tafel-drehscheibe/
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🔗 Recap ILS2025
📊 Quelle: Impuls von Alexandra Gruber, ILS2025 Leoben
Wer ist Alexandra Gruber?
Alexandra Gruber, Geschäftsführerin, Die Tafel Österreich
Die ausgebildete Pharmazeutin und Absolventin der WU Executive Academy und Donau-Universität Krems (Master in Finance) war in leitenden Positionen (u. a. Business Development und Marketing) bei renommierten Pharmaunternehmen wie Baxter und Boehringer Ingelheim v. a. im Biotech-Bereich tätig. Die Tafel Österreich unterstützte sie zunächst als ehrenamtliche Mitarbeiterin, bevor sie 2015 die Geschäftsführung des Sozialvereins übernahm. Sie war außerdem Obfrau des Verbands der österreichischen Tafeln und hält regelmäßig Vorträge zu den Themen Lebensmittelrettung, Ernährungssicherheit und Armutsbekämpfung.


