Die Mobilitätswende ist kein Sprint, sondern ein Strukturwandel. Sie betrifft ganze Wertschöpfungsketten, politische Rahmenbedingungen, Energieinfrastrukturen – und vor allem Menschen. Beim ILS 2025 zeigte der Slot „Mobilität & Transformation“, wie tiefgreifend die Veränderung ist – und welche Hebel jetzt entscheidend sind.
Elektromobilität: Realität zwischen Hype und Hemmnis
Marcella Kral, Bereichsleiterin für E-Mobilität beim ÖAMTC, lieferte einen Realitätscheck. Die Ladeinfrastruktur sei in Österreich noch immer stark verbesserungswürdig – was nicht nur Nutzer:innen verunsichere, sondern auch den Hochlauf der Elektromobilität hemme.
Bereits seit 2009 setzt der ÖAMTC auf eigene Ladeinfrastruktur und eine kWh-genaue Abrechnung – eine Pionierleistung, die vielen heute noch fehlt. In Kooperation mit Autohäusern entstehen aktuell Sub-CPO-Modelle, die öffentlich zugängliches Laden auch im ländlichen Raum ermöglichen sollen.
„Wir müssen dorthin, wo die Menschen leben – nicht wo Ladehubs auf der Karte schön aussehen.“ – Kral
Sie fordert einen Fokus auf das sogenannte RIT-Dreieck:
- Reichweite
- Infrastruktur
- Total Cost of Ownership
Gerade Letzteres entscheidet im Flottenbereich über Erfolg oder Scheitern – und wird in der öffentlichen Debatte oft ausgeklammert.

Alternative Antriebe: E-Fuels und die Macht der Skalierung
Helfried Sorger, Vicepresident Pierer Industry stellte klar: Reine Elektrifizierung reicht für eine globale Energiewende nicht aus. Gerade im Schwerverkehr, der Luftfahrt und Schifffahrt brauche es technologieoffene Lösungen – darunter auch E-Fuels, hergestellt aus Wasserstoff und CO₂.
„Ein Beimischungsgrad von 10 % kann 10 % CO₂ sparen – sofort, ohne neue Fahrzeuge.“ – Sorger
Die Technologie sei einsatzbereit, aber die Rahmenbedingungen – etwa fehlende Infrastruktur, hohe Produktionskosten und steuerliche Ungleichbehandlung – würden sie ausbremsen. Sorger plädiert für den „Blending-Ansatz“: synthetische Kraftstoffe als Übergangs- und Ergänzungslösung, nicht als Ersatz oder Konkurrenz zur E-Mobilität.

Mobilitätskultur neu denken: Mindset schlägt Technik
Peter Saliger von Art of Cart setzte den Fokus auf Nutzerverhalten und Wahrnehmung: Der Erfolg des Verbrenners sei heute sein größtes Hemmnis. Wer jeden Tag Auto fährt, habe wenig Motivation zum Umstieg – außer der neue Antrieb bringt Emotion, Status und Praktikabilität mit.
„E-Bikes sind heute ein Lifestyle. E-Autos? Noch nicht.“ – Saliger
Die Branche müsse Begehrlichkeit erzeugen, nicht nur Fördermodelle verbessern. Dazu gehöre auch ein kritischer Blick auf verbreitete Mythen – etwa die Annahme, Elektroautos bräuchten riesige Akkus, obwohl die durchschnittliche Fahrleistung in Österreich bei nur 25 bis 47 Kilometern pro Tag liegt.
Clustern, nicht konkurrieren: Industrie als Kooperationssystem
Christa Zengerer, Geschäftsführerin von ACstyria, stellte den Wandel vom Autocluster zum mobilitätsübergreifenden Technologieverbund dar: Heute zählen auch Luftfahrt, Bahntechnologie, Security & Defense zum Portfolio. Diese Ausweitung ermögliche gezielten Technologietransfer, etwa bei Materialien, Zulassungssystemen und digitalen Plattformen.
„Mobilität ist heute systemisch. Wer Silos aufbricht, wird wettbewerbsfähig.“ – Zengerer
Auch regulatorische Anforderungen, z. B. im Security-Bereich, würden zunehmend zum Innovationsmotor, da sie standardisierte Schnittstellen und Resilienz erfordern.

Innovationsökosysteme aufbauen: Vom Know-how zur Wirkung
Sebastian Jagsch, Head of Creators bei AVL List, stellte klar: Niemand kann die Mobilitätswende alleine stemmen. Das Zeitalter der singulären Lösungen ist vorbei. Start-ups, OEMs, Zulieferer und öffentliche Akteure müssten in kooperativen Innovationsräumen zusammenarbeiten.
„Wir brauchen keine weiteren Studien – wir brauchen funktionierende Ökosysteme.“ – Jaksch
AVL setzt auf strategische Allianzen mit jungen Technologieunternehmen, auf Open Innovation und auf systemische Skalierung. Dabei steht nicht Technologie im Mittelpunkt, sondern die Fähigkeit, nutzbare Lösungen zur Marktreife zu bringen – ob batterieelektrisch, hybrid oder synthetisch betrieben.
Shell: Vom Ölkonzern zum Multi-Energie-Anbieter
Hans-Jörg Einfalt, Geschäftsführer von Shell Österreich, umriss die aktuelle Strategie des Unternehmens: ein „Blumenstrauß an Lösungen“, der Elektromobilität, Biokraftstoffe, HVO, Wasserstoff und E-Fuels kombiniert.
Shell investiert derzeit in die größte Biokraftstoffanlage Europas (in Rotterdam, Fertigstellung 2028) und hat in den letzten Jahren über 70 Start-ups übernommen, um Innovationslücken zu schließen. Einfalt betont:
„Der Umstieg kostet. Schnellladen ist derzeit doppelt so teuer wie Diesel – ohne Fördermodell ist das für viele Unternehmen nicht tragbar.“ – Einfalt
Der Appell: eine ganzheitliche CO₂-Bepreisung, die nicht nur Emissionen im Betrieb, sondern über den gesamten Lebenszyklus berücksichtigt – inklusive Strommix, Batterieherstellung und Recycling.
Fazit: Transformation heißt Integration
Die Session am #ILS2025 machte deutlich: Es geht nicht um die eine Lösung – es geht um systemische Intelligenz, um Zusammenspiel statt Wettbewerb und um das mutige Zusammendenken von Mobilität, Energie, Digitalisierung und Gesellschaft.
Wer heute transformieren will, muss integrieren – Menschen, Technologien, Systeme.


