Anders Indset zählt zu den führenden Wirtschaftsphilosophen der Welt. Gerne als Rock’n’Roll Plato bezeichnet, ist er mit seinen Ansätzen der praktischen Philosophie einer der gefragtesten Keynote-Speaker in Europa. Sein erstes deutsches Buch Quantenwirtschaft erreichte Platz 3 der Spiegel-Bestsellerliste und Platz 1 der Manager Magazin-Bestsellerliste der meistverkaufen Wirtschaftsbücher.
Wir sprechen mit Anders Indset am ILS 2019 über immaterielle Güter in der Logistik und Menschlichkeit in der Wirtschaftswelt.
Technologie allein ist nicht die Antwort auf all unsere Herausforderungen. KNAPP
zählt zu den führenden und innovativsten Unternehmen im Bereich Supply Chain
Automation. Was wird es noch brauchen, um in der Logistik-Branche die zukünftigen
Herausforderungen zu meistern?
Anders Indset: Ich denke es ist wichtig, sich immer wieder zu hinterfragen, gerade als Technologieführer.
Wir müssen die Sichtweise auf die eigene Technologie, die Systeme, die wir haben, hinterfragen. Weiters
glaube ich, dass man die menschliche Komponente viel stärker in den Vordergrund rücken muss. Wenn ich das sage, meine ich, dass wir mehr miteinander arbeiten. Also nicht hierarchisch von oben nach unten – sondern auf Augenhöhe. Das was Management heute ausmacht, nämlich
das Kontrollieren der Prozesse, das wird in Zukunft mehr in Richtung Technologie
verlagert. Es geht um Gestalter und um Leadership. Leadership ist in Zukunft in allen Belangen des Unternehmens zu finden. In Zukunft gibt es nur einen Chef: das Projekt. Das wird gemeinsam erarbeitet und das funktioniert eben so gut wie möglich. Auch glaube ich, dass wir lernen müssen mit unserem Mitbewerber zu kooperieren. Das wird zunehmend wichtiger. Es geht um Kooperation. Und um Trainingsplätze und Spielwiesen, wo man Fehler machen kann, wo man etwas probieren kann – ohne, dass
etwas passiert. Und dann muss es auch Situationen geben, wo man Gefühle zeigen kann. Mitgefühl und Liebe müssen eine Komponente in der Wirtschaft sein. Das nennt man auch Vitalenergie.
Vieles von dem was du ansprichst, gibt es bereits bei uns im Unternehmen. Wie wird in Zukunft die Beziehung zum Kunden aussehen? Wie kommt dort die Vitalenergie hinein?
Anders Indset: Es geht um Vertrauen. Das braucht man, wenn Teams das Unbekannte gemeinsam betreten. Auch Kunden können hier stark mitgestalten und viel näher und enger in der Ausarbeitung zusammenstehen: Co-Creation. Der Auftraggeber und der Auftragnehmer werden also enger zusammenrücken. Es braucht ein Verständnis für das Vertrauen. Softskills sind ein Thema. Kapitalisierung der Vitalenergie: Da muss ich sagen, dass ich das von der Bedürfnispyramide herleite. Die untere Stufe der Maslowschen Bedürfnispyramide sind materielle Güter. Das haben wir sehr breit gebaut. Wir glauben,
dass wir zwei Ferraris und vier Häuser brauchen, um zu überleben. Wir müssen Wege finden, wie wir
auch höhere Stufen der Maslowschen Bedürfnispyramide bewerten können. Also wie kann man auch im Vertrauensverhältnis mit unseren Kunden immaterielle Güter aufbauen. Das wird immer wichtiger. Das ist sehr komplex und wir sind da erst ganz am Anfang. Aber ich glaube, wir sollten anfangen uns damit zu beschäftigen. Wie können wir die Technologie-Kompetenz auch in Immaterielles einfließen lassen?
Wie können wir dann auch andersartige Modelle entwickeln?
Hast du hierfür ein konkretes Bespiel für das Technologieunternehmen wie KNAPP?
Anders Indset: Wenn ich das wüsste, wäre das sehr einfach. Es ist nicht einfach. Aber ich bin sicher, es gibt auch Möglichkeiten mit Vitalenergie kapitalistische Modelle aufzubauen. Ich glaube das kann auch in einem solchen Bereich gelingen. Ich würde auf jeden Fall anfangen, damit zu spielen.
Das eine ist das Geschäftsmodell. Das andere ist die Unternehmenskultur. Wie bringe ich Vitalenergie in die Unternehmenskultur?
Anders Indset: Wenn Menschen gerne zur Arbeit kommen, dann ist Fakt, dass es 30 Prozent bis 40 Prozent
weniger Krankenstände gibt, gepaart mit großer Motivation am Arbeitsplatz. Das bewegt Unfassbares.
Das sind die low hanging fruits! Wenn Menschen nett sind zueinander und wertgeschätzt werden im Unternehmen, dann passieren bei den KPIs die merkwürdigsten Dinge. Das kostet nichts.
Was wäre dein erster Tipp für die Praxis?
Anders Indset: Du spürst es einfach. Es fängt bei mir selbst an. Ich bin der Gestalter der Kultur des Unternehmens. Ich entscheide jeden Tag, welche Emotionen ich auf die Welt projiziere. Wenn ich Frust projiziere, bin ich selbst auch der Leidtragende. Viele Führungskräfte überspielen die Unsicherheit, sie versuchen wichtig zu sein und sie geben Antworten, um zu antworten. Sie hören nicht wirklich
zu. Das tun sie um eine schützende Hülle aufzubauen. Weil sie Angst haben, dass sie angegriffen werden und Angst haben, irgendwas zu verlieren. Und die, die sich trauen, sich zu öffnen – die sind häufig sehr erfolgreich. Klar geht es um ernste Themen, um Strukturen und hart zu arbeiten – aber es lässt sich verbinden. Das fängt bei mir selbst an. Nett sein zueinander. Kultur ist das, was du nicht kopieren
oder klauen kannst.